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Mörderjagd auf der Titanic

Mörderjagd auf der Titanic

Ludwigsburg. Sophie Heinig liest in der Bibliothek aus ihrem Buch „Tod auf den Wellen“ – und der Kriminalroman hat einen durchaus philosophischen Hintergrund.

Anaïs Cidane steht im Hafen von Cherbourg und fragt sich, ob sie wirklich an Bord des Schiffes gehen soll, das sie in Rekordzeit und mit allem erdenklichen Komfort nach New York bringen wird. Zurück bleiben ihr Verlobter und ihre für Frauen im Jahr 1912 erstaunliche Tätigkeit: Sie gehört zum Team ihres Bruders, eines Polizeiermittlers. Vielleicht ist es aber eine dunkle Vorahnung, denn die Titanic wird sinken und in die Geschichte eingehen. Die Autorin des gekonnt geschriebenen Kriminalromans, Sophie Heinig, ist mit ihren 23 Jahren fast schon ein alter Hase in der Schriftstellerei. Am 16. Januar liest sie in der Ludwigsburger Bibliothek im Kulturzentrum aus „Tod auf den Wellen“.

Dem Untergang geweiht
Das Wissen um den Untergang der Titanic legt sich beim Lesen wie ein Schatten über die Menschen, die Sophie Heinig so dreidimensional einführt: Da ist die englische Stewardess Viona Parish, die bezaubernd schön singt und in Amerika für die Mutter und die behinderte Schwester sorgen möchte. Oder Eric Norwood, der Groschenromane schreibt, vom Durchbruch träumt und bis dahin gewinnbringend die Damen der Oberschicht bezirzt. Und die vielen anderen Mitreisenden, von denen die namhafteren tatsächlich in den Passagierlisten belegt sind.
Geschichte liegt Sophie Heinig im Blut: Abseits ihrer schriftstellerischen Tätigkeit studiert sie in Stuttgart Objektrestaurierung, mit dem Ziel, später Kulturgüter vom Steinzeitfund bis zum geschichtlich interessanten Haushaltsgegenstand für die Nachwelt zu erhalten. Ihre Liebe zu gut recherchierten Hintergründen ließ sie, den Kriminalfall an Bord der Titanic verlegen: „Es gibt so unfassbar viele Informationen über die Titanic, die Wetterberichte der einzelnen Tage, Fotos, Artefakte, Speisepläne und so weiter“, erzählt sie: Außerdem habe sie die kammerstückartige Situation an Bord interessiert.

Ein Opfer, viele mögliche Täter
Denn die Stewardess Viona findet die Passagierin Claire Forther tot in ihrer Kabine und schnell zeigt sich, dass dieser viele den Tod wünschten. Um eine Panik an Bord zu verhindern, lassen Kapitän und Schiffsärzte die junge Ermittlerin gewähren. Die will den Mord lösen, bevor der oder die Täter in New York von Bord gehen. Der Leser weiß aber, dass die Zeit für die Titanic und ihre Passagiere sehr viel schneller und gnadenloser abläuft.
Die Idee zum Roman hatte Sophie Heinig bereits mit 17 Jahren, als sie im heimischen Leipzig eine Titanic-Ausstellung besuchte – so wie jetzt gerade im urbanharbor zu sehen. In die harte Phase des Schreibens stieg sie ausgerechnet während ihres Abiturs ein, erzählt sie: „Ich hatte eine rebellische Phase und habe vielleicht ein bisschen weniger gelernt als andere. Aber zum Glück ist mir Schule auch immer leichtgefallen.“
Zuvor hatte sie drei Ebooks verfasst, ebenfalls historische Krimis – das erste mit 13 Jahren. „Aber das waren solche Bücher, wie man sie mit 13 schreibt, ich glaube nicht, dass sie besonders gut sind.“ Sie machte sie als Ebooks auf einem Online-Portal zugängig und war selbst erstaunt, als sich diese verkauften. „Die Flucht der Bauerntochter“ schaffte es sogar in die Top 100 der Amazon-Charts.

Ungewisse Schicksale
Während des Lesens fragt man sich, welche der Charaktere in „Tod auf den Wellen“ wohl überleben wird. Denn das Buch endet mit der Kollision mit dem Eisberg. „Ich glaube, der Untergang der Titanic ist eigentlich schon auserzählt“, sagt die junge Autorin. Belegt ist, dass von den 2240 Menschen an Bord 1517 starben. Das gibt dem Buch auch eine philosophische Ebene, weil hier auch Menschen beschrieben werden, die sonst nur als Namen auf der Opferliste erscheinen – wenn überhaupt. Jeder von ihnen hatte aber ein Leben, mit Hoffnungen und Wünschen.
Sophie Heinig arbeitet derweil bereits an ihrem nächsten Roman, der kurz nach der Deutschen Revolution 1848/1849 spielen soll. Andere Epoche, gleiche Detailverliebtheit. Auch die weibliche Perspektive soll bleiben: „Geschichte wird eigentlich immer aus Sicht der Männer erzählt, da interessiert es mich, wie Frauen das erlebt haben.“ (sm)

Info:
Sophie Heinig liest am Donnerstag, 16. Januar, ab 19 Uhr aus „Tod auf den Wellen“. Eintritt: Abendkasse
8 Euro (ermäßigt 6 Euro), inklusive
Getränk & Kostproben von der „Afternoon-Tea“-Speisekarte der Titanic (Shortbread Biscuits & Old
Fashioned Bread Pudding. Das Buch (ISBN 978-3-9671-4425-3) ist 2024
im Verlag Zeilenfluss erschienen.

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